MEDIZIN
April 4, 2006

Größte wissenschaftliche Herz-Tagung in Atlanta:
Österreichischer Top-Kardiologe Prof. Gerald Maurer zieht Bilanz

Highlights vom American College of Cardiology: Überraschendes Forschungsergebnis - Cholesterinsenker können Plaques rückgängig machen - neue Studie zur Prophylaxe von Herz- und Hirninfarkt

Bei der 55. Jahrestagung des American College of Cardiology in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia,  auf der 30.000 internationale Herz-Spezialisten zusammen trafen, wurden eine Vielzahl aktueller Erkenntnissen und neuer Entwicklungen präsentiert, die für Patienten mit Herz-Kreislauf-Krankheiten von wichtiger praktischer Bedeutung sind. Herzinfarkt und Schlaganfall stellen in den USA und Europa die bei weitem häufigste Todesursache dar. Univ.-Prof. Dr. Gerald Maurer, Leiter der Abteilung für Kardiologie an der Wiener Medizinischen Universität, zieht Bilanz.

Atlanta, Wien, am 3. April 2008 - Hochdosierte Cholesterinsenker verhindern nicht nur, dass die Gefäße immer mehr verstopfen, sie können bestehende Plaque sogar auflösen. Das ist das auch für die Fachwelt überraschende Ergebnis einer amerikanischen Studie, die jetzt beim American College of Cardiology in Atlanta präsentiert wurde. Cholesterinsenker sollen schädliche Fette im Blut reduzieren und so der zunehmenden Plaquebildung entgegenwirken. Eine aktuelle Studie zeigt nun erstmals, dass eine intensive Behandlung mit Statinen, den am häufigsten verordneten Cholesterinsenkern, die gefährlichen Ablagerungen an den Gefäßinnenwänden sogar wieder abbauen kann.

Studienleiter Steven Nissen vom Cleveland College of Cardiology und Kollegen werteten die Daten einer Gruppe von 507 Patienten mit Arteriosklerose aus. Wie stark die Ablagerungen in den Gefäßen waren, ermittelten die Ärzte per Ultraschalluntersuchung. Über einen Zeitraum von 24 Monaten nahmen die Probanden täglich 40 mg Rosuvastatin ein.

"Im Schnitt sanken die Werte des schlechten Cholesterins LDL innerhalb der Gruppe um mehr als 53 Prozent. Das gute HDL-Cholesterin stieg im selben Zeitraum um fast 15 Prozent", berichtet Univ.-Prof. Dr. Gerald Maurer von der Präsentation der ASTEROID-Studie beim größten internationalen Herzkongress. "Noch verblüffender war jedoch, dass die gefährliche Plaque in den Gefäßen zurückgegangen war: Im Schnitt maßen die Forscher rund neun Prozent weniger Ablagerungen als zu Beginn der Studie - ein Effekt, den man zuvor noch nie beobachtet hatte. Zum erstenmal in der langen Geschichte der Lipidsenker in der Herz-Kreislauf-Medizin ist damit nachgewiesen worden, dass durch die Modifikation des LDL-Cholesterinspiegels im Blut die Atherosklerose nicht nur gebremst oder gestoppt, sondern zum Teil sogar rückgängig gemacht werden kann.

Jeder achte Gefäßkranke muss einmal pro Jahr in die Klinik

Auch eine erste Auswertung des so genannten REACH-Registers wurde beim US-Herzkongress vorgestellt. Jeder achte Patient mit Atherosklerose oder mehr als zwei kardiovaskulären Risikofaktoren bekommt demnach innerhalb eines Jahres ein kardiovaskuläres Ereignis. Je mehr Gefäßregionen betroffen sind, umso größer ist die Infarktgefahr. An diesem Register nehmen 68 000 Gefäßpatienten aus fast allen Teilen der Welt teil, entweder eine bekannte Gefäßerkrankung haben oder aber mehr als zwei kardiovaskuläre Risikofaktoren.

Wurden die Klinikeinweisungen wegen kardiovaskulärer Probleme mitgezählt, hatte insgesamt jeder achte Registerpatient im Beobachtungszeitraum ein schweres kardiovaskuläres Ereignis. Von den Patienten, bei denen sowohl eine KHK als auch eine pAVK als auch eine zerebrovaskuläre Erkrankung bekannt war, hatten sogar 27 Prozent ein kardiovaskuläres Ereignis innerhalb von zwölf Monaten. "Die Ergebnisse sind auch deswegen so beunruhigend, weil die medikamentöse Therapie bei den untersuchten Patienten durchaus gut war. Etwa die Hälfte nahm Betablocker, drei von vieren bekamen einen Hemmstoff des Renin-Angiotensin-Systems. Ähnlich viele nahmen Statine und Hemmstoffe der Thrombozytenaggregation, überwiegend ASS", berichtet Prof. Maurer. "Vor allem für Patienten, bei denen mehrere Gefäßregionen betroffen sind, werden offenbar verstärkte Anstrengungen in der Sekundärprävention nötig sein."

CHARISMA-Studie zur Prophylaxe von Herz- und Hirninfarkten

Ein anderes viel diskutiertes Forschungsergebnis lieferte in Atlanta die CHARISMA-Studie (Clopidogrel for High Atherothrombotic Risk and Ischemic Stabilization, Management and Avoidance), eine Studie mit 15.600 Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko. Die Patienten erhielten entweder  75 bis 162 mg ASS pro Tag oder zusätzlich 75 mg Clopidogrel.

"Insgesamt zeigte sich in der Studie kein signifikanter Nutzen einer kombinierten Behandlung mit ASS plus Clopidogrel - verglichen mit einer ASS-Monotherapie - was eine Reduktion von Infarkten, Schlaganfällen oder Tod aus kardialen Ursachen betrifft", berichtet Prof. Maurer von den Diskussionen in Atlanta. "Die Studien-Präsentatoren zogen aus den Resultaten den Schluss, dass die breite Anwendung der kombinierten Medikation jedenfalls in der Primärprävention von Risikopatienten nicht gerechtfertigt sei." Bei Patienten mit bekannten kardiovaskulären Erkrankungen sei eine individuelle Abwägung erforderlich. Weitere Studien seien hier jedoch noch erforderlich.

Fondaparinux senkt Mortalität und Infarktrate

Vorgestellt wurde in Atlanta auch die OASIS-Studie, derzufolge der Faktor-Xa-Hemmer Fondaparinux beim akuten Myokardinfarkt im Vergleich zur Standardtherapie signifikant die Sterblichkeits- und Re-Infarktrate senkt. In dieser Studie ist die Hälfte der insgesamt 12.092 Patienten zusätzlich zur sonstigen Therapie bis zu acht Tage lang mit Fondaparinux behandelt worden. Die andere Hälfte erhielt unfraktioniertes Heparin oder Placebo.

"Wie die Studienkoordinatoren berichteten, bestand bereits nach neun Tagen mit einer Risikoreduktion von 17 Prozent wie auch am Ende der Beobachtungszeit nach drei bis sechs Monaten mit einer Risikoreduktion von 12 Prozent jeweils ein signifikanter Vorteil der Fondaparinux-Behandlung", fasst Prof. Maurer die Untersuchungsergebnisse zusammen.

Österreichisch-amerikanische Herztagung im Herbst in Wien

Der AKH-Forscher wird im September selbst Gastgeber eines Herz-Kongresses mit hochkarätigen Forschungsergebnissen sein: Von 14. - 16. September 2006 wird in Wien die Tagung "Cardiology 2006" stattfinden, veranstaltet von der Wiener Universitätsklinik für Innere Medizin II, Abteilung Kardiologie, gemeinsam mit der renommierten Mayo Clinic in Rochester, USA.

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